Es klingt nach Abschied vom Ausbau der Mittelweser

Der sich seit Jahren dahinschleppende Ausbau der Mittelweser zwischen Minden und Bremen zu einer leistungsfähigen Wasserstraße scheint vorzeitig zu Ende zu gehen.

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Es klang nach Projektverabschiedung als der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), auf einem Informationsabend vor Vertretern der Logistik- und Hafenwirtschaft in Bremen einräumte: „Wir waren selbst überrascht vom Ergebnis der Verkehrssimulation.“ Eine Realisierung der noch ausstehenden zehn Uferrückverlegungen für eine Ausweitung des Begegnungsverkehrs würde laut Ferlemann nur zu geringfügigen Zeitersparnissen für Großmotorgüterschiffe (GMS) führen. Das Ergebnis rechtfertigt aus Sicht des Verkehrsministeriums eine Fortsetzung der Bauarbeiten nicht.

 

 

 

Der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Hans-Heinrich Witte, bezweifelte im Übrigen die von der Transport- und Hafenwirtschaft prognostizierten Frachtmengen für die Mittelweser. „Diese Verkehre werden nicht kommen“, sagte Witte. Sollten sie allerdings doch kommen, werde man mit dem Ausbau fortfahren, versicherte Ferlemann.

 

 

 

Es hatte sich beim Ausbau nicht mehr viel getan, seit der ehemalige Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) 2011 zeitgleich mit der Herabstufung der Weser zu einer Wasserstraße der Kategorie B die Verkehrssimulation für die Mittelweser in Auftrag gegeben hatte. Die Simulation sollte Aufschluss darüber geben, ob der Flussausbau nicht auch etwas weniger aufwendig ausfallen konnte als 1988 im Planfeststellungsbeschluss festgezurrt worden war – vor allem mit weniger sündhaft teuren Kurvenbegradigungen und Uferrückverlegungen (URV).

 

 

 

Rund 250 Millionen Euro sind in den vergangenen 30 Jahren auf der Mittelweser verbaut worden. Ziel: Der Flussabschnitt soll möglichst störungsfrei mit Großmotorgüterschiffen befahren werden können, die über das Wasserkreuz in Minden und den Mittellandkanal Anschluss an das gesamte europäische Binnenwasserstraßennetz bekommen.

 

 

 

Zwei entsprechend große Schleusen, durch die diese 110 Meter langen, über elf Meter breiten Schiffe überhaupt erst auf die Mittelweser kommen, sind in Arbeit. Die bereits fertiggestellte Großschleuse in Dörverden wird zurzeit repariert, die Mindener Schleuse soll 2017 fertig sein. Von 19 geplanten Fahrwasseraufweitungen und Uferrückverlegungen sind jedoch erst neun abgeschlossen. Dabei soll es bleiben.

 

 

 

Nach dem kompletten Ausbau, so sah es der Vertrag zwischen dem Bund und Bremen vor, sollten 24 Prozent der Strecke im geregelten Einbahnverkehr befahren werden, auf drei Viertel der Strecke sollten die Schiffe sich begegnen können. Wegen des nun reduzierten Ausbauprogramms werden es die Schiffsführer allerdings nicht mit 24 sondern mit rund 40 Prozent Einbahn-verkehr auf der rund 100 Kilometer langen Flussstrecke zwischen Minden und Dörverden zu tun haben.

 

 

 

Transportwirtschaft und Reeder winken bei solchen Perspektiven seit Langem ab. Klaus Wedemeier, Chef des Wirtschaftsverbandes Weser (WVW) und ehemals Bremer Bürgermeister, wiederholt sich in diesem Punkt immer wieder. „Entweder die Weser wird ausgebaut wie verabredet und planfestgestellt, oder die GMS werden nicht kommen“, sagt er.

 

 

 

„Wenn sie kommen, wird weiter ausgebaut“, hält Ferlemann dagegen, und WVW-Geschäftsführer Ralf Heinrich fragt sich erneut, wie das gehen soll. „Es geht doch nicht darum, dass die großen Binnenschiffe irgendwie über die Mittelweser kommen, sondern sie sollen auf dem Fluss zu wirtschaftlichen Bedingungen, das heißt zu konkurrenzfähigen Preisen Güter transportieren“, sagt Heinrich. Ein Schiffsführer, der wegen ungewisser Wartezeiten nicht genau sagen könne, wann er mit seiner Ladung am Bestimmungsort eintreffen werde, brauche gar nicht erst loszufahren.

 

 

 

Das Bundesverkehrsministerium entnimmt unterdessen seiner Simulation, dass die entscheidenden Wartezeiten nicht wegen des Gegenverkehrs oder der Engstellen des Fahrwassers anfallen, sondern wegen der nicht ausreichenden Betriebszeiten der Schleusen. Hier sieht Ferlemann Ansätze für Verbesserungen für die durchfahrenden GMS. Deshalb werde man die Schleusenbetriebszeiten ausdehnen – notfalls auf 24 Stunden an sieben Tagen – und bis 2019 eine zentrale Fernsteuerung für die Schleusen entwickeln. Dadurch ließen sich die Verkehrsabläufe für GMS und die kleineren Europaschiffe wirksamer optimieren als durch den Bau der zehn verbliebenen Uferrückverlegungen, so Ferlemann vor den versammelten Vertretern von Reedereien, Hafen- und Logistik-Betrieben. Damit sei auch die Option auf Nachtfahrten grundsätzlich eröffnet. Der Staatssekretär räumt allerdings ein, dass diese Möglichkeit mit der Transportwirtschaft bisher nicht abgeklärt ist.

 

 

 

Albert Kohlmann, Geschäftsführer der Bremer Dettmer-Reederei, sagte auf Anfrage des WESER-KURIER, was er von dieser Möglichkeit hält: gar nichts. „Ferlemann will uns verkaufen, dass ein paar Änderungen an der Schiffs-und Schleusentechnik mehr bringt als der dringend benötigte Fahrwasserausbau – das ist Unsinn“, sagte Kohlmann. Und begründet: „Für Nachtfahrten brauche ich eine zweite Mannschaftsschicht – das ist für die kurze Passage Hemelingen-Minden viel zu teuer. Abgesehen davon ist die enge und kurvenreiche Mittelweser für Nachtfahrten mit Großmotorgüterschiffen absolut ungeeignet.“ Für die Mittelweser als Wasserstraße für GMS sei er jedenfalls nach dieser jüngsten Entwicklung nicht sehr hoffnungsvoll.

 

 

 

Hafensenator: Unternehmen werden das zu nutzen wissen

 

 

 

Das Bundesverkehrsministerium ist dabei, vom planfestgestellten Ausbau der Mittelweser abzurücken und zehn projektierte Uferrückverlegungen zu streichen. Was werden die Folgen sein?

 

 

 

Martin Günthner: Ich sehe dies als Chance. Es ist doch erfreulich, dass der Bund bereit ist, über den fachlich unzureichenden Planfeststellungsbeschluss hinaus zu gehen. Die Ausbaupläne sind inzwischen mehr als ein Jahrzehnt alt. Da ist es doch nur klug, das noch einmal kritisch zu überprüfen. Es ist für die Binnenschifffahrt sinnvoll, Schwerpunkte zu verschieben. Ein großer Teil der Wartezeit entsteht vor den Schleusen. Deshalb ist es wichtig, hier anzusetzen.

 

 

 

Wie sollen längere Schleusenbetriebszeiten den Verkehrsfluss verbessern, wenn zwischen den Schleusen auf der Hälfte der Strecke Begegnungsverbot besteht?

 

 

 

Wenn die Binnenschifffahrt wettbewerbsfähig sein will, und genau darin liegt ja das Ziel der Weseranpassung, kommen wir um längere Schleusenbetriebszeiten, die eine Ausdehnung der Fahrtzeiten für die Binnenschifffahrt ermöglichen, nicht umhin. Erfreulich ist deshalb die Zusage des Bundes, in Minden eine neue Schleusen-Leitzentrale zu errichten, die dann 2019 in Betrieb gehen soll. Richtig ist, dass die Mittelweser nach Abschluss der Arbeiten nicht geeignet sein wird, um im gesamten Streckenverlauf restriktionsfreie Begegnungsverkehre zu ermöglichen. Aber das ist auch nicht entscheidend. Fahrten der Schiffe auf der Mittelweser müssen für alle Beteiligten verlässlich planbar sein. Das ist in modernen Logistikkonzepten längst selbstverständlich. Entscheidend ist, dass die Fahrten der Schiffe so geplant und durchgeführt werden, dass sie sich eben nicht in den einspurigen Bereichen begegnen.

 

 

 

Wachsender Container-Transport auf Binnenwasserstraßen könnte für die Weserhäfen eine große Chance sein. Was wird daraus, wenn auf der Mittelweser keine GMS fahren, weil es unwirtschaftlich wäre?

 

 

 

Es gibt keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, dass die großen Binnenschiffe künftig verlässlich getaktet auf der Mittelweser fahren können. Die Unternehmen werden dies zu nutzen wissen, um sich in Zukunft besser auf dem Markt zu positionieren.

 

 

 

Unternehmen wie beispielsweise die Dettmer-Reederei rechnen aus, dass bei 40 Prozent Einbahnverkehr auf der Mittelweser wegen nicht voraussagbarer Wartezeiten Güter nicht konkurrenzfähig transportiert werden können. Was sagen sie denen?

 

 

 

Die Zweifel einzelner Unternehmen sind zum jetzigen Zeitpunkt nachvollziehbar. Deshalb will der Bund auch mit der Probefahrt eines GMS im kommenden Jahr die Befahrbarkeit der Mittelweser beweisen. Die Fachleute der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gehen davon aus, dass dies klappt, aber der finale Beweis steht noch aus. Die Ergebnisse werden aber sicher dazu beitragen, eine gemeinsame Bewertung der neuen Pläne zu erreichen. Der Bund, wir in Bremen und die Binnenschiffer haben doch das gleiche Ziel: Der Binnenschifffahrt soll leistungsfähiger und damit wettbewerbsfähiger werden. Dazu brauchen wir eine verlässliche Befahrbarkeit der Mittelweser und das wird nach Jahrzehnten der Planung jetzt endlich greifbar.

 

 

 

Die Fragen stellte Michael Lambek

 

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